Der Appell für ein demokratisches Polen

Solidarność Gdańsk

Europäisches Zentrum der Solidarność in Gdańsk

Am 25. April 2016 veröffentlichten drei Ex-Präsidenten Polen sowie führende Politiker der Solidarność einen dramatischen Appell für Rechtstaatlichkeit und ein demokratisches Polen.

Es steht nicht gut um diese beiden Grundpfeiler des Landes. Nach den in meinem vorherigen Artikel beschriebenen Maßnahmen ist das Land verfassungsrechtlich paralysiert, die Gewaltenteilung wird Schritt für Schritt aufgehoben. Allmählich wird immer mehr Menschen klar, auf was sie sich mit der Wahl der PiS eingelassen haben.

Was die Vorgängerregierung nicht geschafft hat, muss nun nachgeholt werden: Die Entwicklung einer Zivilgesellschaft, die für ihre Freiheit und Werte aktiv eintritt und ein demokratisches Miteinander täglich praktiziert. Nur dann wird es möglich sein, der PiS die Macht zu entreissen.

Der Appell wurde auf polnisch und in Englisch veröffentlicht. Ich habe den Text ins Deutsche übersetzt:

Wir werden den demokratischen Rechtsstaat wieder herstellen

Die kommenden Monate werden für das Schicksal der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie in Polen entscheidend sein.

Die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) wird bestimmt nicht von ihrem Weg zur Zerstörung der Verfassungsordnung und der Lähmung des Verfassungsgerichts sowie der gesamten Justiz abweichen. Das Parlament arbeitet unter dem Diktat einer marginalen Mehrheit, welche die Interessen der Minderheiten außer Acht lässt. Drakonische legislative Vorschläge werden vorangetrieben, so wie ein absolutes Verbot der Beendigung von Schwangerschaften. Die Regierung eskaliert soziale Konflikte und Spaltungen.

Die Herrscher über das Land haben sich für die Konfrontation mit der euro-atlantischen Gemeinschaft entschieden. Der aktuelle Streit über das Verfassungsgericht trägt das Risiko in sich, dass Polens Rechte als Mitglied der Europäischen Union begrenzt werden. Anti-europäische sowie ausländerfeindliche Äußerungen und Handlungen der Regierungspartei untergraben den Zusammenhalt der EU, zu Gunsten der Interessen eines imperialistischen Russlands. Aus einem einst vertrauenswürdigen und geschätzten Partner in der EU und in der NATO wird unser Land zu einem „Sonderfall“. Das Fundament unserer Sicherheit und der wirtschaftlichen Entwicklung steht unter Druck.

Polen befindet sich auf dem Weg hin zu Autokratie und der Isolation von der Welt.

Die volle Mobilisierung der gesamten Gesellschaft sowie der Oppositionskreise und die Formulierung eines gemeinsamen Programms der Zusammenarbeit für die Verteidigung der Demokratie sind zwingend notwendig, um dieses Abdriften zu stoppen.

  1. Wir appellieren an alle Pol*innen, der Verfassungsordnung in ihrer täglichen Arbeit und in ihren Aktivitäten zu folgen. Der Versuch der PiS, sich eine eigene Rechtsordnung zu schaffen, ist eine Usurpation der Macht. Wir rufen die Politiker der Regierungskoalition, denen die Herrschaft des Rechts und der Demokratie am Herzen liegt, auf, sich zu verweigern, an deren Zerstörung teilzunehmen. Wir weisen darauf hin, dass diejenigen, die die Verfassung verletzen, dafür verantwortlich gemacht werden.
  1. Wir drücken unsere Wertschätzung und unseren Respekt für die verantwortungsvolle und würdige Haltung der Richter des Verfassungsgerichts und anderer Gerichte, die Vertreter der Rechtsberufe und der Rechtsabteilungen der Universitäten aus. Richter, Staatsanwälte und alle Vertreter der Rechtsberufe müssen einen besonderen Schutz vor den Folgen illegaler Aktionen der Behörden erfahren.
  1. Die parlamentarische Opposition darf dem Druck der Regierenden nicht unterliegen. Grundsätzliche Fragen können nicht verhandelbar sein, insbesondere die Verpflichtung der Regierung, Entscheidungen des Verfassungsgerichts zu veröffentlichen, die Vereidigung der drei vom Parlament der Vorgängerregierung gewählten Verfassungsrichter vorzunehmen sowie die Novellierung der Verfassung mit dem Ziel, die Besetzung des derzeitigen Verfassungsgerichts zu ändern.

Wir appellieren an alle Oppositionspolitiker, miteinander für die Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten zu kooperieren.

  1. Wir bringen unsere Wertschätzung für das „Kommitee für die Verteidigung der Demokratie (KOD)“ entgegen, welches das Zentrum der Koordination des zivilen Widerstands geworden ist. Die massenhafte Teilnahme der Polen an den von KOD organisierten Demonstrationen, zeigt die soziale Notwendigkeit für dessen Aktionen. Um seine Mission erfolgreich zu erfüllen, sollte KOD eine Basisorganisation bleiben, die sich nicht in parteilicher Rivalität engagiert.
  1. Wir drücken der euro-atlantischen Gemeinschaft und der Europäischen Union für ihr Engagement in Bezug auf den Schutz der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie in unserem Land unsere Wertschätzung aus. Jegliche Diskussionen, Beschlüsse, Meinungen und Empfehlungen stellen keine „Einmischung innere Angelegenheiten Polens dar“, sondern sind Ausdruck einer berechtigten Sorge um den Zustand unseres Landes und die Rechte seiner Bürger. Wir bitten um Ausdauer in der gemeinsamen Sorge für die uns verbindenden Werte.
  • Lech Wałęsa, Präsident Polens 1990-1995
  • Aleksander Kwaśniewski, Präsident Polens 1995-2005
  • Bronisław Komorowski, Präsident Polens 2010-2015
  • Włodzimierz Cimoszewicz, Premierminister Polens 1996-1997; Minister für auswärtige Angelegenheiten Polens 2001-2005
  • Andrzej Olechowski, Minister für auswärtige Angelegenheiten Polens 1993-1995
  • Radosław Sikorski, Außenminister Polens 2007-2014
  • Ryszard Bugaj, Aktivist und Experte der Gewerkschaft „Solidarität“, interniert
  • Władysław Frasyniuk, Vorsitzender der Gewerkschaft „Solidarität“, politische Gefangene
  • Bogdan Lis, Vorsitzender der Gewerkschaft „Solidarität“, politischer Gefangener
  • Jerzy Stępień, Vorsitzender der Gewerkschaft „Solidarität“, interniert, Präsident des Verfassungsgerichts von 2006 bis 2008

Die Unterzeichner dieses Aufrufs unterscheiden sich in ihren Ansichten über viele Probleme Polens, aber wir sind durch den gemeinsamen Glauben verbunden, dass die notwendige Vorbedingung für jede rationale Änderungen die Aufrechterhaltung der Demokratie in Polen ist.

Hier gibt es die Dokumente zum Nachlesen im Original und in englischer Sprache:

Appell polnisch   Appell englisch   

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