Digitalisierung-eine falsche Wette auf die Zukunft?

Digitalisierung, Zauberwort und Angstmacher. Digitalisierung als Erscheinung, die unser Leben in allen Lebensbereichen berührt. Spätestens seit der Bundestagswahl ist das Thema auch in der Politik als Schlüsselbereich angekommen. Den Chancen, Stichwort Industrie 4.0, stehen Ängste und Risiken gegenüber.

Auch Brot für die Welt hat sich dem Thema angenommen. Rund 80 Personen folgten einer Veranstaltungseinladung, um das Für und Wider der Digitalisierung zu diskutieren. Sven Hilbig, Referent bei Brot für die Welt, führte in das Thema ein, indem er Hürden wie mangelnden technischen Zugang zum Internet und zum Teil fehlende Kompetenzen von potentiellen Nutzern benannte.

Die unterschiedlichen Aspekte der Digitalisierung beleuchteten verschiedene Experten:

Henning Bannten (IFO-Institut)

– Im Feld Industrie 4.0 hat Deutschland und Europa die Nase vorn, weil noch industriedominiert

– Eine Fabrik 4.0 ist nahezu autonom und kommuniziert untereinander, alle Daten laufen auf einer Plattform zusammen

– Weiteres Element ist die horizontale Vernetzung (Z.B. Zulieferer werden automatisch informiert, wenn Schrauben fehlen)

– Diese Entwicklung führt zu neuen Geschäftsmodellen und -feldern

– individualisierte Produktion ist nachhaltiger

– Industrie 4.0 ist eine Netzwerkidee und funktioniert nur mit diesem Ansatz

– In die Datenanalye kan und sollte auch Nachhaltigkeitskriterien und ein Reporting eingebaut werden

– Die Produktivität wächst rasant

– Ein großes Problem ist die Datenhoheit, auch in der Nord-Süd-Diskussion

– Für die Arbeit 4.0 gilt: Je gebildeter den Mensch ist, desto geringer sind die Aussichten dass seine Arbeit wegfällt

– Nicht alle Potentiale müssen sich erfüllen und sind an Voraussetzungen geknüpft, Produktion lokalisiert sich wieder, Nachhaltigkeit und Industrie 4.0 sollten zusammen gedacht werden.

Prof. Hermann Ott (Deutscher Naturschutzring)

– Es gibt bisher noch keine Nachhaltigkeitsstrategie für die Digitalisierung

– Mindestens 10% des weltweiten Stromverbrauchs sind IT- getrieben

– Es gibt einen Ressourchenfluch: Die Rohstoffe müssen unter fairen Bedingungen abgebaut werden

– Es gibt auch einen Produktfluch: Ähnlich wie der Papierverbrauch trotz ‚papierlosen Büro’ um das sechzigfache gestiegen ist,

gibt es diese Effekte auch bei den Produkten der Digitalisierung wie Smartphones

– Es muss Rahmenbedingungen wie die planetaren Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen (z.B. Videokonferenzen statt Flüge)

– Die Zivilgesellschaft muss die Rahmenbedingungen der Digitalisierung/Industrie 4.0 mit beeinflussen, tut es aber derzeit noch nicht

Viviana Munoz Tellez (South Center)

– Die Produktion hat sich soweit ausgeweitet, das die Wachstumsgrenzen erreicht sind

– Daher wird der Fokus auf Produktivitätsfortschritte durch Digitalisierung gerichtet

– In Ländern wir Indien ist ein Umschwenken hin zum Dienstleistungssektor mit höherer Weltschöpfung zu beobachten

– Das Wirtschaftswachstum afrikanischer Länder ist nicht nachhaltig und von Weltmarktpreisen stark abhängig

Thomas Hahn (Chefsoftwareexperte Siemens)

– 2/3 der Entwicklungsressourcen werden bei Siemens für Digitalität auf gewendet

– auch bei Siemens werden nachhaltige Faktoren jetzt mehr in den Blick genommen

– wie kann der Ausschuss verringert werden und die Effektivit des Outputs verbessert werden

Yannick Haan )Sprecher des Forum Netzpolitik bei der SPD Berlin)

– Arbeiter versus Digital Native, wie kommt die SPD damit klar?

– Ich werde immer mehr zum digitalen Pessimisten, weil hochspezialisierte Menschen den Menschen gegenüber stehen, die nicht mehr mithalten können und obdachlos werden oder sich von Job zu Job hangeln, um zu überleben. Diese Spaltung der Gesellschaft ist fakt.

– Um viele Jobs, die wegfallen, ist es nicht so schade. Das Problem ist die Bildungsspaltung, weil unser Bildungssystem sich noch nach der Industriegesellschaft orientiert und nicht nach Bildung in der Digitalgesellschaft.

Mein Fazit

Digitalisierungsprozesse laufen so rasant ab, das Akteure wie Zivilgesellschaft, Verbände, Parteien und staatliche Systeme überfordert sind, sich darauf einzustellen, sie kritisch zu hinterfragen oder sie zu steuern. Und: Nachhaltigkeit ist bisher kein bestimmender Faktor in der Digitalisierung. Es bleibt noch viel zu tun!

Lesetipp

Blogbeitrag Digitalisierung-Risiken für den Süden

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